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UniV 5 | Warum “glücklich sein” ein dämliches Ziel ist

Lesezeit: 6 minUm Übersetzungen sehen zu können: lennartorlando.com

Leider bin ich etwas spät dran, aber ich war am Wochenende auf einem Junggesellenabschied, sodass ich keine Zeit hatte, zu schreiben.

Aber: Wie versprochen, habe ich die Stufen 3 und 4 zu den persönlichen Finanzen noch fertiggestellt. Könnt ihr hier lesen.

Einleitung

Diese Woche erhielt ich eine Nachricht, die mich zum Nachdenken brachte, wofür ich mir eigentlich so viel Aufwand mache und was Glück für mich bedeutet.

Zum Thema Glücklichsein denke ich immer an den wohl größten Philosophen unserer Zeit Slavoj Žižek, in dem er sagte:

[…] happiness is for me a very conformist category. […] If there is a point in psychoanalysis, it is that people do not really want or desire happiness. […] For example, let’s be serious: When you are in a creative endeavor, in that wonderful fever, ’My God, I’m onto something!’ – happiness doesn’t enter it.

Übersetzt bedeutet es:

"Glück(lichsein) ist für mich eine sehr konformistische Kategorie. Wenn es einen Punkt in der Psychoanalyse gibt, dann ist es der, dass Menschen tatsächlich nicht glücklich sein wollen oder Glück begehren. Zum Beispiel, seien wir ernsthaft: Wenn man an einem kreativen Unterfangen arbeitet, in diesem wunderbaren Fieber, 'Mein Gott, ich bin an etwas dran!' - dann spielt Glücklichsein keine Rolle."

Konkret bedeutet es: Wir wollen nicht das haben, was wir glauben, das wir wollen. Lies dir das noch einmal durch, denn es sollte dich wirklich durchdringen, denn es ist 100 % wahr.

Deswegen geht es hart auf die Nerven, wenn Leute ernsthaft glauben, dass sie mit mehr oder ab einem bestimmten Zeitpunkt durch etwas glücklich sein werden. Es verfehlt völlig den Sinn des Lebens: Im Leben geht es nicht darum, die ganze Zeit glücklich zu sein, sondern von Erfüllung erfüllt zu sein. Es geht darum, einen Drang zu spüren, weitermachen zu wollen, schneller werden zu wollen… und dabei geht das Glücklichsein durchaus mal flöten, das kann ich euch sagen.

Ein Beispiel dafür ist der Zeitpunkt, zu dem ich mit der Person aus dem Screenshot zu tun hatte. Es war eine brutale Zeit für mich, aber ich habe nicht damit aufgehört, meine kleinen Vorträge und Erfahrungen zu teilen.

Jetzt kannst du sagen: “Lennart, schön und gut, dass du das so siehst.” Deswegen lass uns schauen, was die Wissenschaft sagt (als würde es nur eine Wissenschaft geben 😬). Aber vorher noch ein kurzer Abstecher in die Historie.

Die Medicis - Macht durch Fortschritt

Kurz vorweg: Natürlich beziehe ich in meine Vorstellung der Medicis eine stark simplifizierte und idealisierte Form der Historie ein.

Wenn ich mir vorstelle, was ich in meinem Leben erreichen möchte, ist mein Vorbild die Medici-Familie. Die Medici-Familie war reich, mächtig und einflussreich. Was aber viel wichtiger ist: Sie sind dafür verantwortlich, dass während der Zeit der Aufklärung viel Literatur (v. a. aus dem alten Griechenland, wie z. B. Schriften von Plato, Epictetus, Hippocrates und Homer) verbreitet wurde, die noch heute speziell bei Stoikern zitiert wird. Diese Schriften waren ein elementarer Bestandteil der Initiierung der aufklärerischen Bewegungen.

Was mich aber am meisten beeindruckt, ist das Leben nach Prinzipien, die sie als größer als sich selbst sahen. Dazu gehörten:

  • die Mission, persönliches sowie berufliches Wachstum zu fördern

  • zu verstehen, dass sie selbst Teil eines größeren, wichtigeren System waren

  • anderen immer auf Augenhöhe zu begegnen

  • die wahrscheinlich ersten philanthropischen Projekte für die Republik Florenz (wie z. B. die Finanzierung des Baus der Santa Maria del Fiore)

Die Medicis verstanden, dass gesellschaftliche Zufriedenheit und Fortschritt daraus resultieren, dass eine (wahrgenommene) Chancengleichheit gewährt wird. Die Medici setzten sich gegen andere wohlhabende Familien durch, weil sie einen Großteil ihrer Zeit, ihres Geldes und ihres Einflusses einsetzten, um nicht nur sich selbst, sondern v. a. die Republik Florenz zu stärken. Sie liehen der Regierung Geld für öffentliche Bauvorhaben, steigerten das Wohlbefinden der Gesellschaft, indem sie beeindruckende öffentliche Kunstwerke, Denkmäler und Bibliotheken in Auftrag gaben.

Was sagt die Wissenschaft zu Glück gegenüber Erfüllung?

Forschungsergebnisse eines Teams von Wissenschaftlern an der Florida State Universität, Stanford und der Universität von Minnesota haben Jahrzehnte der psychologischen Forschung in Frage gestellt, als sie eine Grenze zwischen Glück und Bedeutung gezogen haben. Die beiden sind zwar miteinander verbunden, das Befriedigen unserer eigenen Bedürfnisse nicht zu Erfüllung bzw. Sinn führt.

Aber sehr wichtig: Das Gegenteil ist auch wahr. Wenn wir anderen helfen, gibt uns das Bedeutung im Leben, aber es macht uns nicht unbedingt glücklich.

Die Wissenschaftler sagen, dass es dazu führt, dass wir anderen konstant den Vorzug geben, dadurch Stress und Angst zu erhöhen, die selbst gesetzten Erwartungen zu erfüllen (jo, schuldig 😁). Auf der anderen Seite kann das regelmäßige sich selbst den Vorzug geben, uns dazu zu führen, zwar ein fröhliches, jedoch oberflächliches Leben zu leben.

Dennoch sollten auf individueller Ebene gewisse Faktoren erfüllt sein, die uns mehr Glück neben der Erfüllung geben sollten oder vielmehr kein Unglück erzeugen.

Naval Ravikants Sicht

Damit komme ich zu einem meiner absoluten Lieblingsbücher: The Almanack of Naval Ravikant von Eric Jorgensen.

Naval bzw. Eric bringt dabei zwei Dinge in einen Zusammenhang zum Glücklichsein:

  1. Die Verbindung von etwas wollen und Glück empfinden sowie

  2. Die Definition des Zustands des Glücklichseins

Zum ersten Punkt sagt er gegenüber dem oberflächlichen Sich-Sehnens:

Happiness is there when you remove the sense of something missing in your life. (P. 129) […] Desire is a contract you make with yourself to be unhappy until you get what you want. (P. 138)

Übersetzung

Glücklich sein ist da, wenn man das Gefühl loswird, dass etwas in seinem Leben fehlt. (S. 129) [...] Etwas begehren ist ein Vertrag, den man mit sich selbst eingeht, um unglücklich zu sein, bis man das bekommt, was man will. (S. 138)

Sich nach Dingen zu sehnen, ist also absolut sinnlos. Das fokussiert sich nämlich auf das Glücksgefühl, was man empfindet, wenn man etwas Neues bekommt oder erreicht. Stattdessen ist es sinnvoller, sich regelmäßig in der Gegenwart, im Moment zu vergegenwärtigen, wie schön eigentlich das eigene Leben ist:

Happiness to me is mainly not suffering, not desiring, not thinking too much about the future or the past, really embracing the present moment and the reality of what is, and the way it is. (P. 130)

Übersetzung

Glück bedeutet für mich vor allem, nicht zu leiden, nicht zu begehren, nicht zu sehr an die Zukunft oder die Vergangenheit zu denken, sondern den gegenwärtigen Augenblick und die Realität dessen, was ist, wirklich anzunehmen, und zwar so, wie sie ist. (S. 130)

Als konkrete Beispiele kann ich immer wieder meine Wohnung und mein Büro anführen. Jedes Mal, wenn ich in meine Wohnung komme, empfinde ich eine große Dankbarkeit, weil sie meine Zuflucht ist, meine Erinnerung daran, warum ich so viel meiner mentalen Ressourcen in Arbeit opfere. Bei meinem Büro ist es ein anderes Gefühl: Es ist das Gefühl, einen Raum zu haben, um an etwas Größerem zu arbeiten, Fortschritt zu machen.

Dadurch bringe ich die wichtigsten Impulse zusammen, die zu einem extremen, stetigen positiven Gefühl führen. Vergleiche oder mir vorstellen, was ich mir alles kaufen muss, versuche ich, so gut es geht, zu vermeiden. Entscheidungen entstehen bei mir fast ausschließlich aus einem Impuls heraus, dem ich nicht standhalten kann.

Was ist also zu tun?

Die Aussagen als Handlungsempfehlungen sind recht einfach zusammenzufassen. Ob sie nun zu mehr Erfüllung oder Glück führen, sei mal dahingestellt; auf jeden Fall führen sie zu einem geilen Leben, soweit ich das beurteilen kann.

Stoik - es ist, wie es ist

Wenn etwas passiert ist, kann man es nicht mehr ändern. Das einzige, was man ändern kann, ist die eigene Reaktion auf die Geschehnisse. Und wie sich eine in der Gegenwart negative Situation in der Zukunft doch noch positiv auswirken kann, weiß man immer erst am Ende.

Deswegen bleibe im Hier und Jetzt.

Reziprozität - tu etwas für andere, aber erwarte nichts im Gegenzug

Es gibt einfach kein schöneres Gefühl, als wenn dir jemand mitteilt, wie wichtig der Person etwas ist, was du gesagt oder getan hast.

Es gibt so viel Forschung zu Reziprozität und was sie für eine Auswirkung haben. Dazu kann man entweder das Buch “Influence” von Bob Cialdini lese, (oder sich hier meine Notizen durchlesen), aber die Grundaussage ist folgende:

Wenn wir jemandem einen Gefallen tun, bleibt die Person mit zwei widersprüchlichen Emotionen: dem negativen Gefühl der Verpflichtung zum Ausgleich des Gefallens sowie dem positiven Gefühl der Dankbarkeit. Das erste Gefühl neigt dazu, die Person später dazu zu bewegen, uns zu unterstützen. Das zweite Gefühl macht es wahrscheinlicher, dass sie uns unterstützt bzw. sogar als Freund betrachtet. (Funktioniert andersherum ebenfalls, heißt "Benjamin-Franklin-Effekt" und besagt, dass wir auch dazu neigen, die Person zu mögen, der wir geholfen haben).

Umgib dich mit Schönheit

Schönheit ist hier wirklich subjektiv gemeint. Jeder hat andere Präferenzen, was ihm wichtig ist oder womit er viel Zeit verbringt. Aber bei mir sind es die bereits erwähnten Punkte:

  • Wohnung, da ich viel Zeit (alleine) dort verbringe

  • Büro, da ich dort noch mehr Zeit verbringe

  • Essen gehen, da ich tiefgründige Gespräche liebe

  • Teure Kurse und Ressourcen, weil ich es liebe, mich mit neuen Dingen zu beschäftigen

Forscher in Großbritannien fanden übrigens heraus, dass Menschen, die in kunstreichen Büros arbeiteten, 17 % produktiver waren und weniger gesundheitliche Beschwerden hatten als Mitarbeiter in minimalistischen Büros. Wenn die Mitarbeiter die Kunst in ihrem Arbeitsbereich selbst auswählen konnten, stieg ihre Produktivität sogar um 32 %.